Soziale Medien - Fluch oder Segen?

Soziale Medien sind schon lange Teil meines Lebens. Ich bin Teil einer Generation, die ohne soziale Medien aufgewachsen ist, lernte draußen zu spielen und sich mit sich selbst und seinen Spielsachen stundenlang zu beschäftigen, die keinen unbegrenzten Zugang zu Musik und keinen unendlichen Mitteilungsdrang hatte. 

Trotzdem ist diese Generation auch die, die sich mit den technischen Möglichkeiten und vor allen den sozialen Medien bestens auskennt, die ihr Smartphone immer dabei hat und dieses pausenlos für irgendwelche Alltagsaufgaben nutzt und die den Großteil ihrer Kommunikation über das Internet vollstrecken. 

Wenn ich mir die Kinder ansehe, die heute die Grundschule und Sekundarstufe 1 besuchen, dann stelle ich viele Unterschiede zu meinem damaligen Ich fest. Vor allem fallen die Handys auf, die jedes dieser Kinder zu besitzen scheint. Ich habe mein erstes Klapphandy (!!) nach Abschluss der 4. Klasse bekommen, da ich dann mit dem Bus zur Schule in der nächsten Stadt fahren musste. Die Kinder heute haben spätestens ab der 5. Klasse ein Smartphone und haben einen großen Konsum sozialer Medien. Außerdem kann man in den Schulbussen vermehrt Spiele spielende Kinder beobachten, die so sehr auf ihre Handys fixiert sind, dass sich die Gespräche mit den Freunden nur noch um eben jene Spiele handeln. 

Ist das wirklich die Art wie wir unsere Kinder großziehen wollen? Spiegelt nicht diese Abhängigkeit der Kinder unsere eigene Abhängigkeit wieder? 

Auch ich benutze mein Handy viel zu viel und für alles mögliche. Das weiß ich ganz genau, doch ich tue es trotzdem.  Gerade durch die Distanz zu meinen Freunden und meiner Familie ist es praktisch, sich mit einer Textnachricht kurz nach dem Befinden des Anderen zu erkunden oder kurz nach einem Rezept zu fragen, welches man letztes Jahr irgendwann mal zusammen gemacht hat. Durch die Sozialen Medien weiß ich meistens ziemlich genau, was gerade zuhause oder aber am anderen Ende der Welt gerade passiert. Ich sehe, was die anderen Leute meines Abschlussjahrgangs machen, wohin sie reisen. Ich weiß ohne nachzufragen, für welches Studienfach sie sich entschieden haben. Und auch die anderen Leute wissen das über mich. Aber will ich das eigentlich? Möchte ich, dass jeder nachsehen kann, was ich letzte Woche gemacht habe, wo ich zuletzt wandern war, mit wem ich mich getroffen habe? 

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Obwohl ich immer noch selbst entscheiden kann, was ich teile und was nicht und wer dies sehen kann, weiß mein Handy das ganz genau - ich nehme es ja überall mit hin. Obwohl ich meinen Weg auch mit einer Karte finden könnte, ist es am Ende dann doch einfacher Google Maps zu benutzen und sich einfach seinen Standort anzeigen zu lassen. Warum sollte ich mich beschränken wenn ich vor der Autofahrt aussuchen muss, welche CDs ich höre, wenn ich auch einfach Spotify nutzen kann. Warum sollte ich Fotos der letzten Urlaubsreise ausdrucken, wenn ich sie meinen Freunden auch auf meinem Handy zeigen kann? Und warum überhaupt eine Kamera mitnehmen, wenn man das Handy sowieso dabei hat?  

Ja, dieses Ding ist schon praktisch. Es ersetzt viele andere Gegenstände und reduziert so die Sachen die man alle so mit sich herum schleppt (Kamera, Taschenlampe, Taschenrechner, Stift und Papier, Uhr, etc.).Außerdem kann das Handy auch Umweltfreundlichkeit fördern, wenn ich zu  beispiel mein Flugticket nicht extra ausdrucken muss oder mich weniger verfahre und somit letztendlich einen kürzeren Weg mit dem Auto fahre. 

Aber ist dies wirklich der Weg den ich gehen möchte? Ist es nicht viel schöner, einen handgeschriebenen Brief zu erhalten als eine WhatsApp-Nachricht? Ist es nicht viel besser, auch einfach mal spazieren zu gehen, ohne zwischendurch mitzubekommen, dass Helena heute nicht zum Tanztraining kommt, obwohl man ja eigentlich momentan sowieso nicht Teil des Trainings ist? 

Vor allem das Zusammenleben in einer Community mit Menschen, die kein Handy besitzen und dieses kein Stück brauchen oder vermissen, hat mir gezeigt, dass es auch anders geht. Der letzte Blick am Abend und der erste Blick am Morgen müssen nicht aufs Smartphone fallen. Die Nachricht muss nicht innerhalb von Sekunden beantwortet werden. Deine Freunde bleiben deine Freunde, auch wenn du nicht täglich Kontakt hast. Die Welt geht nicht unter, wenn du dich auf dem Weg in die nahe gelegene Kleinstadt verfährst - du könntest an einem schönen Ort enden, an den du sonst nie gekommen wärst. 

Einen weiteren Denkanstoß zu diesem Thema findest du hier

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