Die kleine Kerze

Das Jahr neigt sich dem Ende zu, hat es nicht gerade erst angefangen?

Der langersehnte Sommer ging so schnell vorbei, war es nicht gerade noch warm draußen?

Ich verlasse das Haus im Dunkeln und kehre abends in der Dämmerung zurück. Es wird immer kälter und eigentlich möchte man gar nicht das Haus verlassen.

 

Aber heute habe ich mir vorgenommen, mir endlich etwas Zeit für mich zu nehmen. Das fehlt mir momentan sehr, ich habe so viel zu tun und nun rollt die Vorweihnachtszeit heran, die jedes Jahr alles andere als entspannt ist. 

Heute nicht! Heute mache ich mir einen entspannten Nachmittag.

Ich setze meinen Lieblingstee auf, zünde eine Kerze an und setze mich mit dem Buch, was ich schon so lange einmal lesen wollte, zu meiner Katze aufs Sofa. Meine Katze schläft, wie immer, friedlich neben mir.

 

Zuerst lese ich ein paar Seiten, aber dann gewinnt die kleine Kerze immer mehr meine Aufmerksamkeit. Ich lege das Buch zur Seite und beobachte die tanzende Flamme eine Weile. Die Schatten auf dem Tisch scheinen sich jeden Moment zu verändern und eine neue Bildgeschichte zu erzählen. 

Licht und Schatten. Tag und Nacht, Sommer und Winter. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Auf den Tag folgt die Nacht und andersherum. Nach dem kalten Winter kommt immer wieder der wärmende Sommer. Und auch wenn alles immer so schnell vorüber geht, gibt es dennoch Momente, in denen die Welt still zu stehen scheint. Ein Gespräch mit guten Freunden, ein Blick auf den Mond, ein Kuss, eine brennende Kerze.

 

Ich schließe die Augen. Die Erinnerungen an so viele schöne Momente in meinem Leben tauchen plötzlich auf und verschwinden wieder. Da ist dieses Picknick am Strand, dieses Familienfest an dem alle beisammen gelacht haben, diese Nacht am Lagerfeuer, die Musik die wir zusammen gemacht haben, vergossenen Tränen die vor lauter lachen hervor traten und zufriedene Stille in der Sommernacht beim Zelten. Auch wenn mein Leben vielleicht nicht unbedingt entspannt ist, auch wenn viele  dieser Erinnerungen eben nur Erinnerungen sind, es lohnt sich doch immer wieder Dinge zu tun, die man sonst nicht tut. Dinge, zu denen man vielleicht nie den Mut gehabt hätte, wenn man Zeit gehabt hätte darüber nachzudenken und auch Momente, die erst im Nachhinein so wertvoll zu sein scheinen.

 

Aber geht das so einfach? Die vertrauten Wege zu verlassen, um den Alltag ein wenig mehr mit Leben zu füllen? Schließlich werden die Aufgaben nicht weniger. Im neuen Jahr wird es viel zu erledigen geben. Aber auch, wenn das alles gemacht werden muss, sollte trotzdem noch genügend Zeit für sich selbst bleiben. Für sich, seine Freunde und seine Familie. Wann hast du zuletzt deinen Partner geküsst, deine Freunde umarmt oder mit deiner Familie gemütlich gegessen?

 

Lasst uns gemeinsam versuchen, uns mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben zu nehmen und einfach zu leben und zu lieben. In ein paar Jahren wird es nicht mehr darauf ankommen, welche Note du in der letzten Prüfung bekommen hast, sondern darauf, dass du mit dir und deinem Leben zufrieden bist und immer noch Freunde und Familie hast, die dich bei deinen täglichen Herausforderungen unterstützen.

 

Meine Priorität hat sich geändert; durch dieses kleine Licht, welches zwar Schatten bringt, aber trotzdem mein Leben erhellen kann. 


Diese Geschichte ist letztes Jahr für den lebendigen Adventskalender der Kirchengemeinde Bardowick entstanden bei dem die evangelische Jugend ihr Türchen geöffnet hat. 

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